Durch den Spiegel

Alisas Augenbrauen wanderten gen Haaransatz. Ihr Herzschlag beruhigte sich etwas, aber den Zauberstab legte sie erst einmal nicht aus der Hand. Kannte sie das Mädchen? Alisa ging in die Knie, um auf Augenhöhe mit der Person unter dem Tisch zu sein und sie besser sehen zu können. Ein Name wollte ihr nicht einfallen, aber das musste nichts heißen – mit den neuen Erstklässlern hatte sie zum Beispiel noch nicht viel zu tun gehabt.

"Sie kennt mich." Das Mädchen schnippste mit den Fingern und deutete auf Alisa. " Wir sind schließlich im selben Haus."

Alisa suchte in ihrem Gedächtnis nach einer Erinnerung, ja richtig, da war doch was. Rowena... Rubina... nein, Robyn. Zweite, nein dritte Klasse. Oder?

"Ich habe meine Katze gesucht und dachte, sie ist vielleicht hier reingelaufen", sagte das Mädchen und krabbelte unter dem Tisch hervor. "Dann hab' ich draußen Stimmen gehört und mich versteckt, weil ich dachte, es ist vielleicht ein Lehrer. Oder Schüler, die hierher kommen, um zu heulen.

Hier kommen ständig Schüler zum Heulen hierher. Die gehen dann rüber ins Büro und sitzen da eine Weile. Manchmal reden sie auch und manchmal kommt sogar ein Lehrer... du hast nicht zufällig meine Katze gesehen", wandte sie sich jetzt an Bash.

Ava runzelte die Stirn und verschränkte die Arme unter der Brust. Ganz gleich, was dieses Mädchen ihnen erzählen wollte - das sollte es eigentlich nicht wissen. Sie erzählten sich ja untereinander kaum, was sie taten, wenn sie hier waren. Und der Gedanke, dabei beobachtet worden zu sein, behagte ihr gar nicht.
"Draußen war eine Katze...", antwortete sie an Bashs Stelle - in ihrer Stimme der kalte Tonfall, mit dem sie Kane des Öfteren bedacht hatte.

Bash musterte sie kurz misstrauisch, setzte dann aber eines seiner charmantesten Lächeln auf und hockte sich hin, um sie besser ansehen zu können. Sie wusste eindeutig zu viel. Viel zu viel. Für einen Geist war sie aber zu real. Was zog diese Göre für eine Nummer ab.
"Hast du den Lehrer vielleicht gesehen? Wir suchen ihn nämlich. Wir wollten ihn was fragen."

Alisa schoss die Röte in die Wangen – diese Robyn hatte sie gesehen, als sie hier gewesen war? Aber die anderen schien es ja auch immer wieder hierher zu ziehen...
„Robyn, richtig?“, fragte sie noch einmal nach, nur um sicher zu gehen. „Hast du keinen Unterricht?“ Die Art des Mädchens gefiel ihr nicht.

Robyn erwiderte Bash's Lächeln. "Heute morgen habe ich niemanden hier drin gesehen außer euch Drei", entgegnete sie. Dann wandte sie sich Alisa zu. "Doch, ich habe jetzt eigentlich Pflege Magischer Geschöpfe. Ich hab geschwänzt, weil ich meine Katze nicht finden konnte."

Asa schien sie zu ignorieren, sie lächelte weiterhin Bash an. "Hilfst du mir, meine Katze zu suchen?"

"Kann es sein, dass deine Katze öfter abhaut?" Er stand wieder auf und reichte ihr die Hand um ihr unter dem Tisch raus zu helfen. "Wie sieht sie denn aus?"

„Dann solltest du eigentlich im Unterricht sein und deine Katze später suchen, oder nicht?“, murrte Alisa und sah das Mädchen unzufrieden an. Dass sie selber gerade schwänzten – und dann auch noch bei Professor Bones – tat hier nichts zur Sache.

"Spielverderber", murrte Robyn, doch dann ließ sie nicht ohne sichtliches Bedauern Bash's Hand los und ging zur Tür. "Bin ja schon auf dem Weg."

Ava betrachtete die Szenerie stumm. Dass sie hier nicht erwünscht war, war offenkundig. Aber sie war sich auch sicher, dass irgendwas mit diesem Mädchen nicht stimmte. Es wusste zu viel! Zu viel, was es nicht wissen sollte. Aber was würde es bringen, wenn sie fragen würde? Sie wurde ja doch ignoriert.
"Bash?", zischte sie ihrem Freund zu. "Frag sie, warum sie das weiß, dass Leute hier her kommen."

"Hey warte mal." Er versuchte ihre Hand festzuhalten. "Darf ich dich noch was fragen?" Er versuchte zwischen sie und die Tür zu kommen.

Ihre Hand schloss sich noch ein wenig fester um ihren Zauberstab, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Fürchtete sie sich etwa vor einer Drittklässlerin? Nur, weil diese Robyn öfter hier zu sein schien? Vielleicht war es die beste Lösung, Bash mit ihr reden zu lassen. Anscheinend hatte das Mädchen ja Gefallen an ihm gefunden...

Ava sah zu Alisa und wieder zurück zu Bash und diesem Mädchen. Sie war sich immer noch sicher, dass hier irgendwas nicht stimmte. Vielleicht war sie paranoid, aber... Es war diese Sache, dass Robyn wusste, dass sie hierher kamen. Vielleicht nicht, dass sie es waren, aber doch... Selbst wenn es nur eine Drittklässlerin war, es war gefährlich.

Suzanna saß im Zauberkunstunterricht. Natürlich war ihr nicht entgangen, dass weder Ava, noch Bash, noch Alisa anwesend waren. Hatte sie irgendwas verpasst? Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass es etwas mit Professor McGonagalls Aussage über McGregor zu tun hatte. Ob es etwas schlimmes war? Sollte sie jetzt auch dort sein? Sie hatte nicht gewagt den Unterricht zu schwänzen. Sie hatte eh schon das Gefühl, dass Bones sie im Auge behielt und es gab noch etwas, das sie von ihr wollte. Sie musste also ausharren.

(Zauberkunstunterricht)

Bis die Glocke schlug, schienen sich die Minuten endlos in die Länge zu ziehen. Besonders aufmerksam schien keiner zu sein, auch wenn die Schüler es sich bei Bones nicht wagten, zu tratschen oder Nachrichten unter dem Tisch auszutauschen.

Endlich verkündete die Schulglocke das Ende des Unterrichts und die Schüler strömten aus dem Klassenraum.

(Klassenzimmer für Verteidigung)

"Ihr wisst auch nicht so recht, was ihr wollt, oder?" Robyn blieb stehen und blickte von einem zum anderen. "Erst soll ich gehen, jetzt soll ich bleiben. Habt ihr schon mal daran gedacht, dass uns vielleicht ein Lehrer erwischt, wenn wir die ganze Zeit hier stehen und ratschen? Ich hab' jedenfalls keine Lust auf Punktabzüge und Strafarbeit. Ihr vielleicht?"

Ava setzte zu einer Antwort an, verkniff sie sich aber. Seit sie den Posten des Vertrauensschülers abgegeben hatte, waren ihr solche Geschichten herzlich egal. Es gab verdammt noch mal wichtigeres als Hauspunkte. Ihre Freunde zu, Beispiel, denen es so schlecht ging und denen sie so gern helfen wollte, wenn sie nur wüsste wie. Robyn wäre ihr gleichgültig gewesen, wenn nicht... ja, wenn sie nicht gelauscht hätte.

Bash setzte sein sympatischstes Lächeln auf, dass er aufbringen konnte und nahm wieder Robyns Hand. Er versuchte ihren Blick einzufangen und auf sich zu konzentrieren. "Weißt du was. Ich find Pflege magischer Geschöpfe auch immer furchtbar langweilig. Da wäre mir meine Katze auch wichtiger. Wie wärs, wenn du mir einfach etwas mehr von deiner Katze erzählst. Vielleicht hab ich sie ja gesehen, oder wir finden sie zusammen."

"Einverstanden."Robyns Miene hellte sich auf. "Wir können sie zusammen suchen gehen. Aber ich will nicht, dass SIE mitkommt." Finster blickte sie Ava an, dann richtete sie ihren Blick wieder auf Bash und deutete zur Tür hin. "Ich glaube nämlich, ich weiß, wohin sie gelaufen ist."

Sie setzte ihr strahlendstes Lächeln auf. "Also? Kommst du mit?"

Bash runzelte die Stirn und sah Robyn weiter an. "Warum soll sie denn nicht mitkommen?" fragte er mit einem Nicken zu Ava. "Magst du sie etwa nicht?"

"Fragen, Fragen, nichts als langweilige Fragen", beschwerte sich Robyn. "Ich hätte nicht gedacht, dass ein so hübscher Junge wie du sooo langweilig sein kann. Also schön."

Sie strich über seine Hand, die sie immer noch festhielt. "Wenn du mir hilfst, meine Katze zu finden, werde ich dir eine deiner Fragen beantworten. Eine und nur eine. Haben wir einen Handel, hübscher Junge?"

Bash sah zuerst zu Alisa, dann hinüber zu Ava in der Hoffnung, dass ihre viel gerühmte blinde Verständigung auch diesmal funktionieren würde. Dann sah er wieder zu Robyn und nickte. "In Ordnung. Deal."

Alisa war gar nicht wohl bei dem Gedanken, Bash mit dem merkwürdigen Mädchen alleine zu lassen. Aber es war ja nicht so, dass er wehrlos war, oder? Sie würde einfach mit Ava hier auf ihn warten und aufmerksam bleiben.

Ein spitzbübisches Lächeln überzog die Gesichtszüge des Mädchens. Für einen Moment trat ein helles Funkeln in ihre Augen, als sie Bash betrachtete.

Dann wandte sie den Blick ab und schob mit dem einen Arm die Tür auf, während sie Bash an der anderen Hand hinter sich herzog.

Als sie den Blick abwandt, warf Bash noch einen beruhigenden Blick auf die beiden Mädchen hinter ihm und formte stumm die Worte `Das wird schon...´. Dann folgte er Robyn durch die Tür.