Archetreffen

Oh nein, war das etwa noch immer ungeklärt zwischen den beiden? Levi seufzte.
"Wenn du was dazu zu sagen hats, sag's auch. Du gehörst genauso zur Arche wie wir, und wir haben eben noch gesagt, dass wir offener miteinander sein wollen. Ich meine," fügte er hastig hinzu, "du musst uns jetzt nicht sagen, was da los is, aber wenn was dagegen spricht, dass wir Audrey dazu holen - egal was - dann spuck's aus!"
Levi war weder besonders subtil noch irgendwie feinfühlig, aber es war spät und sie wollten ja noch was erreichen.

Bash atmete nochmal tief durch und drehte sich dann mit einem leisen seufzen zu den anderen um. Er lehnte sich ans Fensterbrett und sah zwischen Levi und Suzanna hin und her. "Keine Sorge. Das, was an Halloween gelaufen ist, haben wir längst geklärt. Ich glaube auch, dass es das einzig richtige wäre sie mit an Bord zu holen. Sie ist klug. Sie ist begabt. Sie weiß was sie tut. Sie wäre eine Bereicherung für die Arche, da bin ich mir sicher. Und ich halte sie auch für absolut vertrauenswürdig. Sie weiß eine Menge und hat bislang nie etwas verraten." Er schluckte nochmal. "Außerdem ist sie mit vielen von euch seit kurzer oder längerer Zeit befreundet. Und die passt zu uns..." Er schloss nochmal kurz die Augen eher er schweren Herzens weiter sprach. "Aber grad weil ich sie mag, will ich sie beschützen. Und die Arche ist nicht grad der Garant dafür, dass man in Sicherheit ist. Ich weiß das ist nicht fair. Das Thema hatten wir heute schon. Deswegen sag ich ja auch, ich hab nicht das Recht dagegen zu sprechen..."

Na bitte, das waren doch alles Argumente für Audreys Beitritt, also-
Levi hatte während Bashs Ausführungen genickt, bis er zum Schluss kam.
"Aber wenn sie allein dasteht, also auch wenn sie nur glaubst, alleine dazustehen, dann ist das doch viel gefährlicher! Man kann Leute doch viel besser beschützen, wenn die Bescheid wissen!"
Er zog einen Schmollmund, bemerkte es, und bemühte sich um einen neutraleren Gesichtsausdruck.
"Meinst du nicht, dass sie mit der Arche sicherer ist als ohne?"

Er atmete einmal deutlich hörbar durch die Nase ein und aus, schloss dabei die Augen wieder und lehnte sich ans Fenster. "Ja, ich weiß..." murmelte er nur leise.

Suzanna nickte. Nach dem Treffen würde sie Bash nochmal darauf ansprechen.
"Also gut. hat irgendjemand was dagegen, dass wir Audrey einweihen?" Sie sah in die Runde.

"Ich halte sie für nicht zurechnungsfähig", erhob Ava nun doch das Wort - selbst wenn sie nicht der Meinung war, dass sie damit irgendjemanden überzeugen konnte.
"Ihr habt Recht damit, dass sie Geheimnisse für sich behalten kann. Das kann sie wirklich. Aber jeder von euch sollte sich bewusst sein, dass sie diese Phasen hat, in denen sie nicht sie selbst ist und sich nicht unter Kontrolle hat. Selbst wenn wir uns vergrößern wollen, sollten wir darauf achten, nicht alles auszuplaudern. In ihren Phasen kann Audrey das leider nicht."
Man dürfte ihr nicht anmerken, was sie davon hielt. Es könnte genauso gut ein Punkt sein, den sie geklärt haben wollte, wie etwas, das dagegen sprach. Sollten sie entscheiden.

Levi runzelte die Stirn.
"Audrey ist in meinem Jahrgang, und ich hab so was noch nicht bemerkt," warf er ein. "Und was sollen das für Phasen sein...?"
Zugegeben, Levi hatte von Audrey generell nie viel mitbekommen, sie war eben eher still, aber außer Kontrolle hatte er sie nun wirklich nicht erlebt, das hätte man doch bemerkt.

Zu Teilen musste Suzanna Ava recht geben, auch wenn sie Audreys Anwandlungen bisher nicht als problematisch für die Arche gesehen hatte.
"Sie...sieht manchmal Dinge, die nicht da sind.", erklärte sie Levi. "Und spricht dann mit sich selbst. Es stimmt, dass sie dann ganze anders sein kann. Nicht mehr ruhig und zurückhaltend wie sonst." Machte sie das zur Gefahr?
Dann wandte sie sich Ava zu. "Meinst du wirklich, dass sie Dinge ausplaudern könnte? Hast du das schon mal erlebt? Du bekommst ja hausintern noch mehr mit als wir anderen."

"Es ist so, dass sie dann aggressiv wird und selbst nicht weiß, was da passiert. Sie ist dann eben nicht Audrey sondern irgendwie jemand anderes. Im Einzelnen ist das was, das ich ignorieren kann. Wenn sie diese Dinge sagt, die mich nicht betreffen, oder die nicht von ihr kommen, dann ist das okay. Direkt Geheimnisse hat sie nie ausgeplaudert, soweit ich weiß. Passieren könnte es trotzdem. Darum wollte ich, dass ihr es wisst."
Wenn es im Unterricht nicht passierte, dann war es gut. Aber es konnte immer passieren. Das war ein Risikofaktor, den sie bedenken sollten.

"Nein könnte es nicht." platzte es ungewohnt impulsiv aus Bash hervor. Etwas überrascht von sich selbst, zog er scharf die Luft ein. Dann atmete er tief durch und sah wieder zu den andern.
"Tut mir Leid." Er sah zu Ava. "Ich weiß, was du meinst. Ich hab diese Aussetzer auch schon gesehen. Es mag auf den ersten Blick gruselig wirken, oder erschreckend, aber ich bin mir sicher, dass es kein Sicherheitsproblem ist. Ich kann nicht erklären warum, aber ich bin mir einfach sicher."

"Absichtlich würde Audrey keinem von uns schaden wollen, das stimmt. Und ... gruselig mag es sein, aber das ist wie gesagt, nicht der Grund dafür, dass ich es angemerkt habe. Ich bin mir eben nicht sicher, ob es ein Problem sein könnte, weil diese Aussetzer nicht einzuschätzen sind, weshalb ich euch darüber informieren wollte."
Sie sah Bash eine Weile lang an und rang sich ein kleines Lächeln ab.
"Das habe ich getan und ihr könnt es bei eurer Entscheidung berücksichtigen, wenn ihr wollt. Ich enthalte mich."

Bei Levi hatte es nun auch endlich klick gemacht.
"Ach so, meint ihr das, wenn sie plötzlich für n Moment aggressiv wirkt, und dann sofort wieder so wie vorher ist?"
Das war ihm auch aufgefallen, aber so schlimm war das doch nicht. Bei allem was passiert war, konnte schon mal n Tick dabei rauskommen.
"Ich finde nicht, dass das gefährlich ist. Also, ich bin dafür, dass wir sie in die Arche holen," war Levis, möglicherweise etwas blauäugiges, Fazit.

Suzanna sah erst Bastian und dann Levi an. Beide waren nicht wirklich die objektivsten Personen, wenn es um Gefahreneinschätzung ging, zumindest in diesem speziellen Fall.
"Ich finde wir sollten das durchaus ernst nehmen und nicht sofort vom Tisch fegen. Ich bin auch dafür Audrey dazuzuholen, aber Sicherheit ist das wichtigste, Ein Fehler und wir könnten alle tot sein." Drastisch? Nicht in ihren Augen.
"Wie wär es, wenn jemand mal mit ihr darüber redet? Sie fragt, wie sie selbst das einschätzt. Denn es stimmt, sie will sicher niemanden in Gefahr bringen. Wenn wir ihr also sagen was auf dem Spiel steht, wird sie selbst einschätzen, ob sie eine Gefahr darstellt."

"Natürlich sollten wir das berücksichtigen...", sagte Elijah schließlich nach einer längeren Phase des Schweigens, in der er sehr nachdenklich aus dem Fenster geblickt hatte.
"Aber ich glaube nicht, dass das eine Gefahr darstellen wird. Sie weiß schon einiges, wie es mir scheint. Sie ist nicht blöd... und sie hat keinen von uns verraten uns eher noch gedeckt. Und... will keinem hier zu nahetreten... aber..."
Er wandte sich zu den anderen um und ein unsicheres Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
"Labil sind wir alle ein wenig... und jeder von uns könnte eine Gefahr für die Arche sein... ob durch Naivität... vorschnelles Handeln ohne vorher nachzudenken... Impulsivität... Reizbarkeit... oder auch zu viel Nachdenken... ich selbst bin da keine Ausnahme."

"Ich finde die Idee, sie sich selbst einschätzen zu lassen, gar nicht verkehrt..."
Ava nickte Suzanna zu. Darüber hatte sie nicht nachgedacht. Das war eines der wenigen Dinge, die in all ihren Gedanken zum Thema Arche und Audrey nicht aufgetaucht war. Wobei Selbsteinschätzungen ja oft von den Wünschen der Person abhingen.

Suzanna schüttelte bei Elijahs Aussage unzufrieden den Kopf.
"Mag sein, dass wir alle eine Gefahr darstellen. Aber das heißt doch nicht, dass wir es noch schlimmer machen müssen. Oder, dass wir jetzt nicht mehr aufpassen müssen, wen wir uns noch in die Arche holen. Ja, Audrey weiß viel und hat uns schon geholfen. Aber ich glaube ein Gespräch könnte einige der Sorgen ausräumen."

Bash nickte und sah zu Elijah. "Ich gebe dir Recht, Elijah. Audrey ist nicht mehr oder weniger eine Gefahr für die Arche, als jeder andere von uns." Dann sah er zu den anderen. "Aber wenn es euch beruhigt, redet vorher mit ihr."

"Sicher können wir mit ihr darüber reden.", sagte Elijah und nickte leicht.
"Und ich habe nie gesagt, dass wir jetzt weniger aufpassen müssen. Ich habe wie gesagt schon länger mit dem Gedanken gespielt und Audrey diesbezüglich... ein wenig ausgehorcht, sie beobachtet, mit ihr geredet, mit ihr geschrieben. Wenn ich mir nicht ganz sicher wäre, hätte ich es niemals vorgeschlagen."
Das Lächeln war aus seinen Zügen verschwunden.
"Sie wird auch selbst entscheiden müssen, ob ihr selbst das Risiko vielleicht zu groß ist. Das war bei keinem von euch anders. Aber ich weiß, dass sie etwas tun will... sie und ich sind uns in vielen Dingen glaube ich ähnlich...und... selbst wenn sie sich als eine gewisse Gefahr einstuft, heißt das dann, dass sie nicht mehr geeignet ist? Ihr habt doch gemerkt, wie schnell man einen Fehler macht, wenn man beispielsweise belauscht wird... oder.. wenn man etwas tut, wenn man grade ziemlich gedankenlos ist... wie ich, als ich den Brief an May geschrieben habe."
Wieder ein Punkt, an dem er nicht zu allen aus der Arche ehrlich gewesen war.

Fast schon hatte sie zu einer Antwort angesetzt, doch Elijahs letzte Aussage ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl keine Luft zu kriegen und ihr wurde schwindelig. Sicher hatte sie sich verhört. "Du hast was?!?"

Eigentlich hatte er Suzanna gar nicht davon erzählen wollen.
Aber er sollte als Captain der Arche wohl mit gutem Beispiel der Ehrlichkeit vorangehen.
"Ich habe May einen Brief geschrieben, kurz nach Devins Tod.", führte er also näher aus und seine Stimme klang ruhiger und fester, als er selbst erwartet hatte.
"Es war... eine Kurzschlussreaktion. Ich bin mir sicher, dass sie etwas damit zu tun hat. Sie hat die Drohungen nicht umsonst geschrieben... ich habe ihr gesagt, dass sie es bereuen wird und das ich keine Angst mehr vor ihr habe..."
Das fasste den Inhalt des Briefes wohl ganz gut zusammen. Auch wenn er seiner Hauskameradin sicherlich nicht gefallen würde...

"Bist du wahsinnig?" Das war das erste was ihr dazu einfiel. Selbst sie hatte nicht so etwas dummes getan, obwohl es ihr durchaus zuzutrauen war. Aber Eli?
"Und selbst wenn sie etwas damit zu tun hatte, dann hättest du es eher als Anlass nehmen soll ihr genau deshalb NICHT zu schreiben! Du SOLLTEST Angst vor ihr haben, denn sie ist eine psychopathische Mörderin! Dass du ihr jetzt sagst, dass du keine Angst mehr hast, wird sie eher noch als Aufforderung sehen. Was bitte hast du dir davon erhofft? Dich umzubringen? Sie aus der Versenkung zu locken, damit sie dir auflauert und dir wer weiß was antut?" Sie konnte kaum klar denken, so sehr hatte diese Information sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie war aufgesprungen, der Stuhl laut polternd nach hinten gefallen. "Wie kannst du da so ruhig stehen? Wann war das bitte? Und warum erfahr ich davon erst jetzt?"

Er hatte mit einem wütenden Ausbruch gerechnet.
Es war nicht verwunderlich, dass Suzanna wütend war. Immerhin hatte er etwas wirklich dummes getan. Das wusste er selbst. Aber nun ließ es sich nicht mehr ändern und er musste eben dazu stehen.
"Ich habe doch gesagt, ich habe nicht darüber nachgedacht. Ich war wütend und traurig und... dann habe ich es geschrieben. Es war nicht lang nachdem Devin gestorben ist... wann genau kann ich dir nicht mehr sagen."
Immer noch klang seine Stimme ruhig.
"Und ich WILL keine Angst mehr vor ihr haben. Sie ist eine Gefahr, ja. Aber letztendlich ist sie nicht die größte Gefahr, die da draußen lauert. Und vielleicht nimmt sie es ja auch gar nicht ernst."
Elijah zuckte leicht mit den Schultern.
"Und ich erzähle es erst jetzt, weil ich es nicht für nötig erachtet habe dich zu beunruhigen. Es ist ja nichts passiert..."

"Du wartest also geschlagene drei Monate, um mir sowas mitzuteilen und wirfst mir dann vor ich würde Dinge im Alleingang lösen?" Sie warf kurz einen Blick in die Runde, was sie noch wütender machte. Die meisten von ihnen schienen nicht mal überrascht. "Du wolltest MICH nicht beunruhigen, ja? Deshalb hast du es allen anderen erzählt, nur mir nicht? So sehr vertraust du mir also."
Es verletzte sie, dass sie offensichtlich die letzte war, die davon erfuhr.
"Gibt es sonst noch was das ich wissen sollte? Das ihr heimlich ohne mich besprochen habt, weil ich sonst ausflippen würde?"

Elijahs Blick wurde ungewohnt ernst.
"Das hat nichts mit heimlich besprechen zu tun. Aber ich wusste, dass es dich aufregen würde und das wollte ich nicht, nach allem was passiert ist.", sagte er immer noch ruhig und mit fester Stimme.
"Ich hab mit ein paar Mitgliedern der Arche darüber gesprochen, ja. Weil ich eingesehen habe, dass es eine dumme Aktion war, weil ich nicht nachgedacht habe."
Er schüttelte leicht den Kopf. Es war niemals seine Absicht gewesen Suzanna zu verletzen. Aber wusste sie, dass es ihn ebenso schmerzte, dass sie sich so vor ihm verschlossen hatte im letzten Halbjahr? Dass es ihn verletzte, wenn sie ihn nicht mit einbezog.
"Und ja, ich habe es angekreidet, dass etwas im Alleingang geschieht." Eine Spur von Ärger schlich sich in Elijahs Stimme, die man eigentlich nicht von ihm kannte: "Und es hat nichts damit zu tun, dass ich dir nicht vertraue! Suzanna, welchen Eindruck soll ich denn dann haben, wenn du jetzt so etwas sagst? Wie viel hast du mir in den letzten Wochen verschwiegen? Wie oft hast du Dinge getan von denen ich nichts wusste? Nur wusste, dass du schon wieder unterwegs bist mit Edmont, oder Brandon oder irgendjemand anderen!? Ich hab es jetzt gesagt, weil ich ehrlich sein will und dir vertraue, obwohl ich wusste, dass du wütend auf mich sein wirst. Aber wirf mir bitte nicht vor, dass ich etwas für mich behalten habe, nicht du."
Seine Stimme war lauter geworden, seine Hände leicht zu Fäusten geballt.

Levi sah Elijah reichlich fassungslos an.
"Erst Alisa, jetzt du... was meint ihr alle, was sich mit Briefen an May lösen lässt!? Was ihr davon habt?"
Sein Gesichtsausdruck war finster, aber Suzannas Wutausbruch hatte für ihn geradezu kathartisch gewirkt, so dass er sich zumindest nicht ganz so sehr aufregte, auch wenn er durchaus lauter geworden war. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und dabei ein Stück Shortbread zu Krümeln verarbeitet. Etwas verlegen wischte er sich die Brösel von den Fingern.
Einigen hätte er Kurzschlusshandlungen zugetraut, allen voran sich selbst, aber nicht Elijah.