The Children's Crusade

Unwillkürlich schlug Stephen die Hand vor den Mund und wich einen Schritt zurück. Finnegan warten lassen? Hatte sie wirklich gerade gesagt, sie würde Finnegan warten lassen?

Sie lächelte und sah dabei aus wie eine Katze, die mit einer Maus spielte. Eine Raubkatze. Oder eine von diesen schuppigen Echsen mit diesen riesigen Mäulern, die es nur in Afrika gab.

"Bitte.. ähm. .. Miss Suzanna. .. ich muss ihn unbedingt finden. Finnegan wird sehr böse werden, wenn ich es ihm nicht ausrichte. Und ich muss auch noch den Neuen finden... er soll nämlich ..."  Er schlug sich erneut die Hand vor den Mund als hätte er schon zuviel gesagt und blickte hastig nach links und rechts. Allerdings nicht nach hinten.

Natürlich war es ihm unangenehm.
Er konnte es ihm nicht verübeln. Jeder Mensch hatte seinen Stolz und so dermaßen drangsaliert zu werden konnte diesen ziemlich verletzen.
"Ich finde, du bist ganz schön mutig.", meinte der Junge schließlich nach einer Weile des Schweigens, nachdem er sich auf die Kante seines Bettes hatte sinken lassen.
"Mein Bruder war auch so mutig. Ich bin das nicht." Etwas verlegen senkte er seinen Blick und sah hinunter auf seine Fußspitzen, die er ein wenig baumeln ließ.
"Suzanna ist kein böser Mensch...", begann Elijah dann etwas zögerlich auf Levis Frage, auch wenn dieser wohl keine Antwort erwartet hatte.
"Genauso wenig wie Bastian... sie...sie kann einem wirklich Angst machen und sehr.. schroff wirken, aber sie ist kein schlechter Mensch. Du hast ihren Stolz verletzt... und... und ich glaube, sie hat Sorge den Stand zu verlieren, den sie sich erarbeitet hat. Wäre eine Entschuldigung denn so schlimm, auch wenn du nichts falsch gemacht hast? Wenn es jemand anderem dadurch wieder besser geht?"

Eigentlich hatte Suzanna den Jungen darauf aufmerksam machen wollen, dass Bastian gerade in den Hof getreten war. Sie wollte nicht grausam sein, nicht, wenn es nicht nötig war. Aber jetzt war ihre Neugierde geweckt.
"Du erlaubst mir sicher noch eine letzte Frage, bevor ich dir antworte." Es war keine Frage und sie wusste, dass der arme Bengel ihr sicher nichts verwehren würde. "Was soll der Neue? Was genau war dein Auftrag von Finnegan?" Fast flüsternd und mit einem Zwinkern fügte sie noch hinzu: "Ich werd auch niemandem verraten, dass du es mir gesagt hast."

Ja, Suzannas Stolz war sicher etwas angeknackst, war es war doch nicht seine Schuld, dass sie vor seinen Augen von nem Baum gefallen war! Und es war ja nicht so, als würde er das irgendwem erzählen, aber ihm auch noch ne Entschuldigung abzuverlangen war nun wirklich die Höhe!
"Ich entschuldige mich doch nicht für was, was ich gar nicht gemacht habe, nur damit Suzanna sich groß und toll vorkommen kann!" entrüstete er sich. "Die soll mal von ihrem hohen Ross runter kommen!"
Elijahs Vorschlag konnte er unmöglich ernst nehmen. Suzanna hatte ihm keinen Grund gegeben, dass er ihr so einen Gefallen tun würde. Wenn sie netter gewesen wäre, hätte er das Spiel vielleicht mitgespielt, aber so? Dabei hatte sie ihm beim Appell schon leid getan und er hatte sie beinahe etwas verstanden. Und für Bash galt das gleiche. Er hätte ja auch einfach so in Ruhe mit ihm reden können, anstatt ihn halb zu ersaufen.
"Sie und Bash können mich mal, denen werd ich mich nicht unterordnen! Jetzt erst recht nicht!"

"I-ich sag doch gar nicht, dass du dich ihnen unterordnen sollst." sagte Elijah kleinlaut.
Levi hatte auch seinen Stolz. Und Bash und Suzanna hatten seinen verletzt, wie er vielleicht ihren. Das ganze war so eine schwierige Situation. Und eigentlich durfte er gar nicht mit Levi reden... wenn er ihn nicht in noch mehr Schwierigkeiten bringen wollte. Aber er konnte doch nicht einfach zu sehen, wie er sich mit vollen Wind in den Segeln in sein Unglück manövrierte.
Keiner von ihnen hatte es hier leicht. Warum mussten sie es sich gegenseitig denn noch schwerer machen? Er sagte nicht, dass er Suzanna mochte... wenn er ehrlich war, machte sie ihm oftmals ziemliche Angst. Aber sein Vater hatte ihm immer gesagt, dass kein Mensch von Grund auf böse war. Und daran glaubte er. Vielleicht war der Stolz alles was diesen Menschen geblieben war. Bastian, Suzanna und Levi... Stolz, der die Scherben zusammen hielt, die das Leben aus ihnen gemacht hatte. Und verletzte man ihren Stolz drohte man die Bruchstellen darunter zu sehen und zu offenbaren, wie verletzbar man wirklich war. So schien die menschliche Natur zu sein...
Nachdenklich sah Elijah weiterhin auf seine Fußspitzen.
"Tut mir leid, ich wollte mich da nicht einmischen. Ich dachte nur, dass... das eine Entschuldigung niemandem weh tut..."

Stephen Lennings hatte ein echtes Problem...und das schon zum zweitenmal an diesem Tag.

Wenn er redete und Finnegan fand es heraus, würde der Director ihn windelweich schlagen. Redete er aber nicht, dann würde Suzanna ihn windelweich schlagen.

Er konnte Suzanna anlügen, aber vielleicht würde sie es merken und ihn trotzdem windelweich schlagen. Andererseits, wenn sie es tat, musste er vielleicht in den Krankenflügel und dann konnte Finnegan ihn nicht auf diesen Auftrag schicken.

"Marakov soll was für Finnegan erledigen", flüsterte er schließlich. "Ich weiß aber nicht, was es ist, wirklich nicht. Jetzt hat Finnegan gesagt, dass der Neue auch mitkommen soll und ich auch, weil es mehr Arbeit gibt. Aber ich will nicht, ich hab' Angst. Aber ich muss, sonst werd' ich bestraft. "

Er senkte die Stimme. "Bitte verrate es nicht Finnegan, Miss Suzanna. Ich mach' alles, aber sag' ihm nicht, dass ich es dir erzählt hab'. Er hat es mir verboten..."

Soso, der Neue sollte also mit Bastian auf Tour. Das musste ja ne ganz schön wichtige Sache sein, dass Finnegan gleich drei der Jungs losschickte. Sie musste zugeben, dass es ihr einen leichten Stich versetzte, dass Sullivan, kaum 24 Stunden hier, schon hinter die Mauern gelassen wurde. Wenn sie selbst doch nur...aber nein. Niemand ließ sie hier raus und mit dem Fuß konnte sie das eh knicken. Außer natürlich...

"Ich verrat dich schon nicht. Und Bastian steht da vorne." Mit diesen Worten und einer scheuchenden Handbewegung in Richtung Bash entließ sie den fast schon panischen Jungen.
Nachdenklich schaute sie über den Hof. Es war keine gute Chance, aber vielleicht die beste, die sie in absehbarer Zeit kriegen würde.
"Ach Stephen!", rief sie ihm noch hinterher, nachdem er sich schon hektisch abgewandt hatte. "Wenn Bastian bei Finnegan durch ist, soll er doch bitte mal zu mir kommen."

Wie Elijah es geschafft hatte, in diesem Schuppen zu leben und dabei derart naiv zu bleiben, war Levi ein Rätsel.
"Aber wenn ich mich bei ihr entschuldige, nur weil sie das will, dann heißt das doch eben, dass ich mich ihr unterordne! Und das, nachdem sie sich so aufgeführt hat! Und weh tun kann vieles, nicht nur ein Schlag in den Magen," befand er, und seiner tat von Bashs Schlägen immer noch ordentlich weh. "Wenn jemand anständig zu mir ist, helf ich ihm auch jederzeit, aber das kann man von Bash und Suzanna echt nicht sagen! Oder findest du das etwa okay, was sie hier abziehen?"

"In einem Wolfsrudel gibt es auch Mitglieder, die sich unterordnen... und daran ist nichts schlimmes. Damit ist man ja nicht weniger wert, sondern spielt einfach eine andere Rolle.", murmelte Elijah, der versuchte Levi zu verstehen. Aber irgendwie fiel es ihm ziemlich schwer.
Oder konnte man das nicht mit den Menschen vergleichen?
"Es...ich..."
Elijah sah sich etwas nervös um und wirkte verunsichert.
"Ich finde es nicht immer gerecht... oder richtig... aber..."
Darüber sollte man hier nicht sprechen. Das hatte er schon verstanden. Er wollte keinen Ärger mit den anderen. Er hatte die Regeln hier verstanden, was nicht hieß, dass er wirklich Verständnis für sie hatte.

"Na bitte, du sagst es doch selbst: es ist nicht gerecht!" gab Levi aufbrausend zurück. Er verstand ja, dass Elijah nicht gegen alle anderen Kinder rebellieren wollte, das hatte er ja selbst auch nicht vor. Aber man durfte sich auch nicht alles gefallen lassen! "Wir sind keine Tiere, wir sind Menschen. Wenn wir n Problem haben, können wir darüber reden."
Levi seufzte. "Ich bin gar nicht auf Streit aus! Ich lass mich nur nich rumschubsen," erklärte er entschieden.
Elijah wirkte richtig nervös. War das, was er hier sagte, denn wirklich so reißerisch? Er wollte doch nur nicht klein beigeben, das brachte er einfach nicht fertig. Nicht, wenn die anderen absolut im Unrecht waren.

Elijah zuckte leicht zusammen, ob Levis leicht harschen Tons.
Er versuchte Levis Problem zu verstehen, aber wahrscheinlich hatte er selbst einfach zu wenig von dem, was man Stolz nannte.
Eine Entschuldigung tat nicht weh, auch wenn man nichts falsch gemacht hatte. Manchmal war es nicht gerecht... Samuel hätte es wahrscheinlich genauso gesehen, wie sein Gegenüber und etwas dagegen getan.
"Das Leben ist nicht immer gerecht. Wenn es gerecht wäre, dann wäre ein solcher Ort gar nicht nötig.", murmelte Elijah leise und kaum hörbar.
Dann erhob er sich, hustete leicht in seinen Ärmel, ehe er seine Mütze richtete.
"Ich sollte mich nicht beschweren.", sagte er dann, auf dem Weg zur Tür: "E-es ist in Ordnung wie es ist." Aber vielleicht war es das nicht? Hatte Levi vielleicht Recht?
"Tut mir leid, vergiss meinen Vorschlag am besten einfach. Pass auf dich auf, ja? Ich fände es sehr traurig, wenn dir etwas passiert. Falls ich dir irgendwie helfen kann, dann sag bescheid." Mit diesen Worten huschte Elijah aus dem Schlafsaal. So viele Gedanken tanzten jetzt in seinem schmerzenden Kopf, dass er gar nicht wusste, wo er anfangen sollte sie zu denken.

Als Elijah so zusammen zuckte, tat Levi sein Ton leid. Er hatte Elijah nicht anfahren wollen. Er versuchte ja auch nur irgendwie klar zu kommen, da konnte er Levis unnötige Vorwürfe wirklich nicht gebrauchen. Und krank war er obendrein...! Da war sein Temperament ja schön mit ihm durchgegangen.
Er wollte sich entschuldigen, aber ehe er dazu kam, war Elijah auch schon flink wie ein Hase aus dem Schlafsaal gehuscht. Na großartig, jetzt hatte er ihn vertrieben. Jetzt stand er wieder allein da, und das hatte er nur sich selbst zuzuschreiben.
Er ließ die Schultern hängen und verfluchte sich im Stillen selbst. Wie war er überhaupt auf die wilde Idee gekommen, Elijah irgendwie helfen zu wollen? Er konnte sich ja kaum selbst helfen, und Elijah hatte wirklich was besseres verdient, als sich von einem sogenannten Freund blöd anmachen zu lassen. Bei Suzanna würde er sich nicht entschuldigen, aber bei Elijah auf jeden Fall! Natürlich heimlich, offiziell sollten sie ja nicht miteinander reden. Ja, so würde er es machen.
Er schnappte sich seinen dummen Hut und machte sich wieder auf den Weg nach draußen.

Marakov schien nicht beschäftigt zu sein, also ging Stephen vorsichtig auf ihn zu. Vor Bastian hatte er nicht ganz soviel Angst, denn anders als bei Suzanna, die er nicht näher kannte, wusste er, dass der Anführer der Jungs eigentlich ziemlich umgänglich war. Solange man ihm nicht in die Quere kam, natürlich.

Außerdem guckte er nicht so  gruselig wie Suzanna.

Irgendwas schien allerdings vorgefallen zu sein, denn als Stephen näherkam sah er, dass Bastian's Ärmel nass waren und er ein paar kleine Spritzer Wasser auf dem Hemd hatte. Vielleicht war es auch nur beim Händewaschen passiert, aber... Er hütete sich allerdings, den größeren Jungen darauf anzusprechen oder es auch nur zu bemerken.

 "Hey, Marakov ähm... hast du grad kurz Zeit? Oder stör' ich?"

Bash hatte sich gerade auf dem Hof umgesehen und hatte zu Suzanna rüber gehen wollen, als Stephen zu auf ihn zukam. Der kleine schüchterne Junge sah nicht gut aus. Er wirkte nervös und ängstlich. Entweder hatte Suzanna, mit der er gerade gesprochen hatte, irgendwas mit ihm angestellt, oder einer der Lehrer benutzte ihn mal wieder als Bote. 
Etwas entnervt seufzte Bash, sah Stephen einige Augenblicke an und nickte dann. "Was gibt's?" Fragte er knapp und zog sich seine Jacke wieder an. Es war doch zu kalt ohne und außerdem verbarg sie die nassen Hemdsärmel, die bei seiner kleinen Unterrichtsstunde für Levi etwas abgekriegt hatten.

"Director F...ffff....Finnegan", stammelte Stephen. Allein der Name brachte ihn wieder ins Stottern.

"Er hat mich in sein Büro bestellt... vorhin... und er... er sagte, dass du heute abend was für ihn arbeiten sollst und dass sich daran was geändert hat. Es gibt mehr Arbeit und du sollst mich und den Neuen mitnehmen. Damit wir das auch schaffen."

Stephen knetete nervös seine Finger." Er hat mir aber nicht gesagt, wann und wohin wir gehen sollen, er sagte du wüsstest das schon."

Elijah hatte ich in einen ruhigeren Bereich des Hauses zurückgezogen.
Eine ganze Weile hatte er auf der Fensterbank gesessen und hinaus auf den Hof geblickt. Einige Kinder verbrachten ihre Zeit an der frischen Luft. Ihm war das zu viel Trubel, zu viele Leute... gerade jetzt, wo ihn so viel beschäftigte, war er am liebsten alleine. Auch wenn das hier in dieser Einrichtung gar nicht so einfach war.
Noch einmal warf er einen Blick auf die Kinder draußen, dann schob er sich vorsichtig von der Fensterbank. Mr. Moore hatte gesagt, er solle zum Krankenzimmer, wenn sein Zustand sich nicht bessern sollte. Alles in ihm widerstrebte dieser Vorstellung, aber noch mehr ängstigte ihn der Gedanke an einen ledernen, furchtbar dissonant knallenden Gürtel oder den schattenfinsteren Karzer. Also überwand Elijah sich und lenkte seine mäuschenleisen Schritte in Richtung des Krankenzimmers. Vorsichtig klopfte er gegen das Holz.

Ein leises, fast schon verschüchtertes Klopfen, beinahe nicht wahrnehmbar, riss ihre Aufmerksamkeit fort von dem Kräutergemisch, dass sie gerade erst zusammen gerührt hatte. Nichts besonderes, nur ein Tee, um kleinere Atembeschwerden zu lindern. Es wurde kalt und da war es nicht verkehrt, sich damit einzudecken. Dass sie selbst krank wurde, das konnte sie sich nicht erlauben.
"Moment!", rief sie in einer fast schon zu freundlichen Tonlage, als sie den Mörser an die Seite stellte. Dann ging sie zur Tür und öffnete, nur um ein kleines Häufchen Elend vor sich zu finden.
"Mister Lyall... was kann ich für dich tun?"
Sie bemühte sich um ein freundliches Lächeln. Am liebsten hatte sie doch ihre Ruhe. Obwohl es ab und an doch etwas langweilig werden konnte.

Elijah fühlte sich unwohl.
Ein wenig fürchtete er sich vor der jungen Frau, die nun die Tür öffnete, wie er anscheinend vor einigen Menschen Angst hatte. Warum konnte er nicht einmal genau sagen.
"Guten Tag, Miss.", begann er mit leisem Stimmchen und hielt den Blick leicht gesenkt.
"M-Mr. Moore hat gesagt, ich soll... soll herkommen, wenn... wenn es nicht besser wird mit meinem Husten. I-i-ich möchte den Unterricht damit nicht stören.", stammelte er unsicher und knetete etwas nervös seine Finger.
"K-komm ich ungelegen?"

"Husten sagst du? Dann komm erst mal herein."
Sie behielt ihr Lächeln bei. Dieses geheuchelte Verständnis ging ihr gehörig auf die Nerven. Aber es war schon klar, dass man Unterricht bei Leuten wie Moore nicht stören wollte. Aber eine Erkältung - wenn es denn wirklich das war - heilte am Besten mit genügend Ruhe.
"Bei diesem Wetter ist es nicht ungewöhnlich, dass du dich erkältet hast. Davon gehe ich zumindest aus."
Dass man dagegen angehen konnte, indem man den Kindern oder auch den Angestellten die Benutzung der Heizöfen erlaubte... Aber Finnegan war nun mal geizig. Und da konnten sich auch alle anderen zu Tode frieren, das war ihm egal, solange er sein Geld bekam.
"Hast du denn noch was außer Husten?"

Mit jedem weiteren Wort von Stephen wurde Bashs Miene unzufriedener. Er runzelte die Stirn und seufzte. "Du und der Neue?" fragte er etwas ungläubig. Der gutherzige Unruhestifter und dieser schüchterne Zwerg. Hatte Finnegan Lack gesoffen oder lag ihm einfach nur nichts an der Erledigung der Arbeit. "Hat Finnegan sonst noch was gesagt?"

Auf ihre Aufforderung hin betrat Elijah vorsichtigen Schrittes das Krankenzimmer.
Die kleinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf, so unbehaglich fühlte er sich hier. Er blickte sich unsicher um und stand etwas verloren im Raum, um dann zu der jungen Frau zu sehen.
"N-nur ein wenig Kopfschmerzen."
Sein Blick glitt die Regale entlang und blieb schließlich an einem kleinen Glasfläschchen hängen. Unwillkürlich schweiften seine Gedanken zu Levi und seinem blau anlaufenden Auge, dem geschundenen Rücken, zu Suzannas Fuß und ihrer verbissenen Miene.

"Kopfschmerzen? Dann scheint es nichts allzu dramatisches zu sein. Ich werde dich einmal kurz abhören, um sicher zu gehen, aber ich gehe von einer einfachen Erkältung aus. Mein Lehrer damals sagte, dass es etwa sieben Tage dauert, aber wenn du genug warmen Tee trinkst, sollte es zumindest den Husten lindern."
Chandra nahm das Stethoskop zur Hand und bedeutete dem Jungen, das Hemd aufzuknöpfen. Anders als der Fairchild-Vorfall am Morgen würde der Junge keine teuren Mittel benötigen, um sich behandeln zu lassen. Wenigstens etwas. Und er jammerte auch nicht. Gut so.
Allerdings hatte sie seinen Blick bemerkt. Und sie war sich nicht sicher, was sie davon hallten sollte.
"Wenn du nachher Miss Fairchild noch einmal siehst, erinnere sie bitte daran, dass ihr Verband regelmäßig gewechselt werden muss."

Wie die junge Frau es wollte, knöpfte Elijah das Hemd auf und ließ sich geduldig von der Schwester abhören, auch wenn das Metall des Stethoskops unangenehm kalt auf der Haut kribbelte.
Seinen Blick hielt er noch immer gesenkt, die Schultern leicht angezogen.
"N-natürlich, Miss. Ich werde es ausrichten.", stimmte Elijah ohne lange zu zögern zu, obwohl er sich nicht sicher war, ob er gerne mit Suzanna reden wollte, wenn sie heute schon Ärger mit Levi gehabt hatte. Ihre Laune war sicherlich nicht gut... vor allem nicht nach der Bestrafung beim heutigen Morgenappell... Der Schwester wollte er aber auch nicht widersprechen.
Nachdem sie ihn ordentlich abgehört hatte, schloss er gewissenhaft die Knöpfe und richtete den Stoff.

"Wie ich es mir dachte, keine Anzeichen für etwas schlimmeres als eine Erkältung..."
Sie musterte ihn kurz aus dunklen Augen, ehe sie leicht lächelte.
"Ich mache dir einen Tee. Das sollte eine Weile gegen den Husten helfen. Warte hier."
Sie wandte sich ab und trat in das Hintere´Zimmer, wo sie vorhin erst ihren Tee gemischt hatte. Das Wasser, dass sie aus der Küche geordert hatte, war sogar noch warm genug, um ihn eine Weile ziehen zu lassen.

"Jawohl, Miss.", stimmte Elijah zu und blieb einen Moment lang unschlüssig im Raum stehen. Die Schwester hatte sich in das andere Zimmer begeben, um den Tee zu zubereiten. Unruhig sah Elijah sich erneut um. Wieder huschte sein Blick zu dem kleinen Fläschchen. Aber es wäre zu auffällig, wenn das Fläschchen mit der Flüssigkeit verschwinden würde. Und wer von ihnen konnte schon eine Spritze richtig setzen?
Noch einen Moment lang überlegte Elijah, haderte mit sich. Doch als er an noch einmal an Levis schmerzverzogenes Gesicht und Suzannas Bestrafung dachte, setzte er sich fast lautlos in Bewegung. Behutsam, aber so schnell es ihm möglich war, öffnete der Junge eine der Schubladen und las eilig die Etiketten auf den einzelnen Fläschchen. Viele waren es nicht und so entdeckte er bei der zweiten Schublade ein kleines, braunes Fläschchen mit der filigranen Aufschrift 'Aspirin'. Vorsichtig entkorkte er sie und schüttete sich zwei von den Tabletten in die Hand, um sie mit einer etwas zittrigen Bewegung in seine Hosentasche verschwinden zu lassen. Die Flasche wurde zurück an ihren Platz gelegt, die Schublade hastig geschlossen.