The Children's Crusade

Suzanna atmete erleichtert auf, nachdem Moore verschwunden war. Die erste Hürde war geschafft. Allerdings war auch sie selbst ziemlich geschafft. Jetzt nur nicht nachgeben. Keine Fehler machen.
Der Weg hoch war eine Tortur, aber sie hielt sich aufrecht mit dem Gedanken an ihren kleinen Sieg. Über Moore und sich selbst.
Zufrieden stellte sie fest, dass der Schlafsaal leer war. Neugierige Blicke konnte sie gerade wirklich nicht brauchen. Sie schloss die Tür hinter sich, legte vorsichtig den Mantel auf ihr Bett und besah sich ihre Kleidung genauer. Sowohl die Strumpfhose, als auch ihr Kleid konnte sie vergessen. Und in ihrem Zustand war ein Ausflug in die Wäschekammer nicht drin. Schon gar nicht in der Kürze der Zeit. Kritisch ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und fasste einen Entschluss.
Die Zähne zusammenbeißend lief sie schnellen Schrittes zum Schrank von Amy. Sie zog eine Strumpfhose und das Wechselkleid heraus und warf einen kurzen Blick auf das eingenähte Schild. Genau ihre Größe, wie sie vermutet hatte.
Mit einem klienen, boshaften Grinsen dachte sie daran, dass es immer eine Gelegenheit gab diejenigen, die sich der herrschenden Ordnung widersetzten, an ihren Platz zu erinnern. Amy hatte sich am letzten Dienstag in der Mathestunde das Grinsen nicht verkneifen können, als Suzanna einen Fehler in der Rechnung an der Tafel gemacht hatte. Ein böser Blick hatte das Mädchen zwar kalkweiß zusammenschrumpfen lassen, aber das tat ja nichts zur Sache. Niemand machte sich lustig über sie.
Wieder an ihrem Bett angelangt begann sie sich vorsichtig zu entkleiden. Die Stiefel waren das Schlimmste. Das wieder Anziehen war sogar noch schmerzhafter, als das Ausziehen. Sie versuchte sich dennoch zu beeilen, immerhin konnte jeden Moment jemand hereinkommen. Und sie musste noch ihren Mantel loswerden und ihre Hände sauber bekommen, bevor ihre Patrouille begann.

Finnegan stieß die Tür auf. Das schwache Licht aus dem Gang  umspielte seine düstere Silhouette und ließ sie nur noch schwärzer erscheinen. "Lyall. Komm hierher."

Er schnupperte in den Raum hinein. "Irgendwas riecht hier seltsam. Was hast du getan, Lyall? Ich wusste doch, dass du etwas Böses getan hast. Du glaubst,  du bist ein guter Junge, doch in Wahrheit bist du schlecht und verdorben. Komm her und sag mir, was du getan hast."

Einen Moment lang überlegte Elijah, ob ihm wohl einfach vor Schreck das Herz stehen bleiben könnte.
Ob er dann tot umfallen würde, kalt gefroren von Finnegans Präsenz.
Eisgefrorenes Herz, zu kalt um den Körper weiter am Leben zu halten. Aber wen würde es kümmern? Vielleicht warteten schon seine Mama und sein Papa und Samuel auf ihn?
Aber... wenn er so verdorben war, dann würde er sie ja niemals wiedersehen! Sie warteten im Himmel, während man ihn bestimmt in die Hölle bringen würde. Elijahs Unterlippe begann zu beben. Dann würde er sie niemals wieder sehen...
Mit gesenktem Blick trat er auf Finnegan zu.
Er wagte es nicht ihm ins Gesicht zu blicken.
"E- ein Streichholz, Sir...", presste er leise hervor, um nicht in Schluchzen auszubrechen: "Ich...ich habe sie in der Schublade mit den Maßbändern gefunden. E-es ist immer so dunkel in den Räumen...Da... da hatte ich Angst und hab sie mitgenommen."
Du sollst nicht lügen... schon wieder hatte er ein Gebot gebrochen.
Aber er konnte doch nicht Levi und die Marakovs verraten.

"Soso... ein Streichholz also?" Finnegan griff in Elijah's Haar und zerrte seinen Kopf zurück. "Das also hast du getan. Du bist ein Dieb, Lyall. Stehlen ist eine schwere Sünde,  ebenso wie Lügen."

Er zerrte erneut an Elijah's Haaren, riß seinen Kopf hin und her wie den einer Puppe. "Wie bestraft man Sünden, Lyall. Was macht man mit unartigen Jungen, die stehlen. Soll ich dich die ganze Nacht im Karzer einsperren? Hast du das verdient? Oder wäre eine körperliche Züchtigung angemessener? Was meinst du, Lyall?"

Im nächsten Moment spürte Elijah, wie der Direktor unsanft in seine Haare griff.
Er biss sich auf die Unterlippe, um die Tränen zu unterdrücken und nicht erschrocken aufzuschreien.
Seine Augen brannten verdächtig und er kniff sie zusammen.
Dabei griff er ganz instinktiv mit einer Hand nach der Hand, die an seinem Schopf zerrte, die andere presste er auf seine Hosentasche, um ein Klappern zu verhindern.
"Es... es tut mir leid.", brachte er hervor. Sein Herz schlug so schnell und hart gegen seine Brust, dass er Angst hatte, dass es ihm einfach herausspringen würde.
"Nicht der Karzer, bitte, alles, nur nicht der Karzer", schoss es wimmernd aus ihm heraus, ehe er sich eigentlich dessen bewusst war, was er gerade gesagt hatte. Aber er konnte diese Dunkelheit nicht ertragen... er konnte es nicht....

Suzanna zog das Buch aus dem Mantel und schob in ihre Schultasche. Sie würde es morgen in die Bibliothek zurückstellen. Ihr kaputtes Kleid und die Strumpfhose versteckte sie in ihrem eigenen Kleiderschrank ganz hinten in einer Ecke. Ihre aufgeschürften Hände und Knie konnte sie nicht vor allen verheimlichen. Würde jemand Kleid und Strumpfhose finden, müsste dieser jemand kein Genie sein, um zu erraten wem die Kleidung gehörte, egal in welchem Schrank sie sich befand.
Ihren Mantel faltete sie wieder so, dass der Schmutz nicht zu sehen war und legte ihn ebenfalls in ihren Schrank. Jetzt die Hände.
Im Badezimmer begegnete sie den ersten anderen Mädchen, die sich für die Nacht fertig machten. Es gab das ein oder andere Nicken und die zwei Jüngeren, die sich ein Waschbecken in der Ecke teilten, suchten schleunigst das Weite, als Suzanna auf sie zu kam und den Ort für sich beanspruchte. Das sich rot färbende Wasser zog unausweichlich einige neugierige Blicke auf sich. Sie ignirierte das Brennen, reinigte die Handflächen von Steinchen und Schmutz und versuchte den Eindruck zu erwecken, als würde es sie überhaupt nicht stören. Dann sah sie böse zu den Gafferinnen hinüber - die sofort den Blick senkten -, trocknete ihre Hände ab und verließ das Bad.
Zeit für die Patrouille.

Finnegan lächelte kalt. "Du möchtest also lieber, dass ich dich züchtige, als dass du noch länger im Karzer bleiben musst?"

Er drehte Elijah's Kopf so, dass dieser gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. "Du wünschst dir eine mildere Strafe, Lyall. So etwas muss man sich aber erst verdienen, denn im Leben gibt's nicht umsonst."

Er blickte Elijah lange an, schien sich an seiner Angst und seinen mühsam unterdrückten Tränen zu weiden. "Dieser Neue, Sullivan. Ich möchte,  dass du ihn im Auge behältst. Der macht Schwierigkeiten! Häng' dich an den kleinen Unruhestifter, er wird dich gar nicht bemerken, wenn du ihm hintertappst wie ein dummer Welpe. Und dann berichtest du mir seine Fehlverhalten."

Er schlug mit der flachen Hand gegen Elijah's Hinterkopf. "Haben wir uns verstanden, Lyall?"

Elijah mochte diese kalten Augen nicht.
In ihnen lag keinerlei Wärme, keinerlei Mitgefühl. Manchmal fragte er sich, was Finnegan zu einem solchen Menschen hatte werden lassen? Ob er auch irgendwann diesen Glanz in den Augen gehabt hatte wie Levi? Wie sie alle es wohl gehabt hatten?
Er wusste es nicht.
Der Blick in diese Augen ließ ihn frösteln.
Schwach schüttelte Elijah den Kopf, er wollte niemanden verpetzen.
"Aber... aber Levi ist bestimmt kein Störenfried... er... er hatte nur einen schlechten Anfang hier. Er macht bestimmt keinen Ärger mehr."
Er wusste nicht, ob es klug gewesen war, Finnegan irgendwie zu widersprechen. Aber er wollte Levis Vertrauen nicht missbrauchen. Auf keinen Fall... und Finnegan würde es sicherlich bemerken, wenn er ihm etwas verschwieg? Oder ob er es nicht bemerken würde? Wenn er ihm einfach nur berichtete, das alles in Ordnung war, auch wenn dem nicht so war?

Die weichen Stiefel, die er trug, machten keinerlei Geräusch, als er durch die Gänge streifte. Immer wieder stoben Kinder verschreckt auseinander, als er auftauchte.
Moore war halbwegs zufrieden. Genau deswegen hatte er keine beschlagenen Stiefel, damit man ihn nicht hörte, wenn er sich durch das Haus bewegte.
Er blieb an einer Lampe stehen und drehte die lose Birne wieder rein, sodass das Licht erneut aufflammte. Kam ihm so bekannt vor. Die hatte schon immer gezickt. Schon als er... egal.

Apropos Zicken. .. Er hatte die beiden Mädchen noch nicht gesehen, denen Finnegan heute seine Belohnung hatte zuteil werden lassen.
Er setzte seinen Weg fort und stieg eben die Treppen hinab, als er Lyalls Stimme hörte.
Kurz schüttelte er den Kopf. Dann setzte er seinen Weg fort.

Einen Moment lang starrte Finnegan Elijah fassungslos an. Es war einer der wenigen Moment, in denen Direktor Finnegan tatsächlichen sprachlos war.

Widerspruch? Von diesem kleinen schwachen feigen Jungen? Bei jedem anderen Kind im Waisenheim hätte er mehr damit gerechnet. Aber nicht bei diesem.

"Du tust gerade nichts dazu, dir eine mildere Strafe zu verdienen, Lyall." Finster blickte Finnegan Elijah entgegen. "Ich schätze, wir werden in einer Stunde sehen, ob du deine Meinung geändert hast."

Er stieß Elijah zurück in den Karzer. "Oder brauchst du keine Stunde dazu? Möchtest du deine Meinung lieber jetzt schon ändern?"

Einen Moment lang schwieg Finnegan und starrte ihn an.
Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass Elijah ihm Widerworte gab, er hatte ja selbst nicht einmal damit gerechnet, dass er es tat.
Seine nächsten Worte ließen ihm jedoch einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Er stolperte zurück in das Dunkel. Er wollte nicht zurück in die Dunkelheit.
Elijah bis sich auf die Unterlippe.
Was sollte er tun? Jetzt allein in der Dunkelheit sitzen und dieses Mal würde er keine Kerze entzünden können? Oder sollte er Finnegan zustimmen? Was hätte Samuel getan? Er wusste die Antwort... Samuel hätte das getan, was richtig war, auch wenn es ihm geschadet hätte. Sie hatten doch auch ihr Leben verloren, während sie ihn gerettet hatten.
Ohne ein weiteres Wort ließ Elijah sich in die Hocke an einer Wand im Karzer sinken. Er wagte es nicht etwas zu sagen, weil er wusste, dass die Stimme tränengebrochen sein würde.

Levi lag in seinem Bett und kämpfte mit den Erinnerungen an seinen Pa und den Tränen, die er sich nicht erlauben wollte. Große Jungs weinen nicht, sagte er sich immer wieder und presste die Hände gegen die Augen. Die kratzige Kleidung auf seinem wunden Rücken machte das ganze nicht eben besser und wenn er nicht gerade an Moore und seine fiese Art dachte, dann kamen ihm Suzannas Worte in den Sinn.
Aber was wusste die schon? Sie kannte ihn ja gar nicht! Levi hatte es immer leicht gefunden, sich mit anderen Kindern anzufreunden. Jetzt war er vielleicht noch allein, aber es war ja auch erst sein erster Abend hier. Es konnten ja nicht alle hier so garstig sein. Er verbot sich jedweden Gedanken an Bash. Auf den konnte er sich offensichtlich nicht verlassen, aber davon würde er sich nicht aufhalten lassen.
Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und setzt sich vorsichtig im Bett auf. Zwei andere Jungen unterhielten sich leise, die Köpfe über ein Buch gebeugt. Offensichtlich beschäftigt. Aber es gab ja immerhin einen anständigen Menschen in diesem drei mal verfluchten Kasten von einem Waisenhaus, und wo der war, wusste Levi leider nur zu genau.
Es war offensichtlich noch nicht zu spät, um sich im Haus herumzutreiben, also machte Levi sich auf den Weg. Was genau er damit erreichen wollte, die Tür zum Karzer zu finden, wusste er auch nicht so genau. Er konnte Elijah ja nicht rausholen. Aber vielleicht war der andere Junge ja auch schon wieder draußen? Das musste Levi erst mal in Erfahrung bringen. Er hatte ja draußen vor dem Fenster zum Karzer gesessen, daher konnte er sich ungefähr ableiten, wo das dunkle Zimmer war.

"So, du bist also widerborstig." Kopfschüttelnd betrachtete Finnegan die in sich zusammengesunkene Gestalt."Sullivan ist also kein Störenfried, sagst du. Schlimmer noch, er stört nicht nur selbst, er stiftet auch noch andere dazu an, sich schlecht zu benehmen."

Er trat einen Schritt zurück in den Gang. "Vom heute an verbiete ich dir jeden näheren Kontakt zu Sullivan. Du wirst weder mit ihm sprechen, noch in deiner Freizeit mit ihm spielen. Wenn er dich anspricht, wirst du nicht reagieren, wenn er eine Frage an dich richtet, wirst du ihm nicht antworten. Ich werde Sullivan hart bestrafen, wenn du dich nicht an dieses Verbot hältst und ich werde jeden ebenso hart bestrafen, der euch bei verbotenem Kontakt erwischt, ohne mir Meldung zu machen. Von heute an wirst du nichts mehr mit diesem verdorbenen Bastard zu tun haben, hast du mich verstanden? OB DU MICH VERSTANDEN HAST, WILL ICH WISSEN!"

Dann knallte die Tür ins Schloss. Der Schlüssel wurde herumgedreht und die Schritte entfernten sich. Ebenso das stetige Klacken des Gehstocks...

Bei Finnegans Worten sank Elijah immer weiter in sich zusammen.
Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, er brannte fürchterlich genauso wie seine Augen.
Levi hatte doch gar nichts getan! Und was würde er denken, wenn Elijah sich jetzt so von ihm abwandte? Er hatte doch gerade erst seine Familie verloren.
Mehr als ein Nicken brachte Elijah nicht mehr zu Stande.
Die Tür fiel ins Schloss, ließ ihn in der Dunkelheit zurück und er konnte ein ängstliches und verzweifeltes Aufschluchzen nicht mehr unterdrücken. Tränen rannen seine Wangen hinab, er presste sein Gesicht in seine Hände, schlcuhzte haltlos.
Er hatte doch so sehr gehofft einen Freund zu finden...

Levi ging genauso leise und vorsichtig durch die Gänge, wie er es bei den meisten anderen Kindern beobachtete. Irgendwie widerstrebte es ihm; man konnte doch nicht auf Schritt und Tritt Sorge haben, von irgendwo auf irgendeine Art attackiert zu werden. Trotzdem, jetzt musste er erst mal den Karzer finden. Wahrscheinlich musste er dazu erst mal in den Keller runter.
Unten im Erdeschoss war weniger los als oben. Klar, sie mussten ja auch bald im Bett sein.
Levi lugte um die Ecke an der Treppe gerade als die schweren Schritte von Finnegans beschlagenen Stiefeln von unten ertönten. Er schreckte zurück und ärgerte sich gleichzeitig über seine Reaktion. Er hatte nichts angestellt, er hatte also absolut keinen Grund, vor dem finsteren Direktor Angst zu haben.
Trotzdem wäre es sicher besser, wenn er ihm jetzt nicht über den Weg lief...

Moore machte seine Runde durch den Korridor, gerade am Keller vorbei, als er sowohl das Klacken des Gehstockes als auch Finnegans Schritt vernahm. Er bog um die Ecke und staunte nicht schlecht, als er den Neuen - Sullivan - entdeckte, der anscheinend dabei war, sich irgendwohin zu schleichen. Und Moore brauchte nur 1 und 1 zusammen zu zählen, um zu wissen, wohin. Zu Lyall, an den Karzer.
Mut hatte der Junge, das musste man ihm lassen. Und eine gehörige Portion Loyalität. Er wusste, dass Lyall wegen ihm im Karzer saß und das nagte an ihm.
Ein feines Lächeln zupfte an Moores Lippen. Gut so. Vielleicht konnte er so mit Sullivan umgehen. Indem er Lyall als Druckmittel benutzte. Bei Marakov funktionierte es ja auch.
Lautlos folgte er dem Jungen.

Levi konnte hören, wie sich Finnegan vom Keller entfernte und nutzte die Gelegenheit. Viel Zeit hatte er schließlich nicht. Leide huschte er zur Tür, die in den Keller führte, schickte ein kurzes Stoßgebet zum Himmel, dass ihn niemand erwischen würde, und stieg die Treppe hinab.
Kurz überlegte er, um sich zu orientieren. In welche Richtung waren sie nochmal ums Haus gelaufen, und wie weit? Doch, er meinte, sich zu erinnern und ging los. Die Gänge waren düster und er legte eine Hand an die hier unten nur spärlich verputzte Wand während er lief.
Irgendwo hier musste es sein. Er versuchte eine Tür, aber die war offen und enthielt nur eine Reihe alter Kisten. Dann aber bestimmt die nächste. Er probierte die Klinke, aber dies mal war abgeschlossen.
"Elijah...?" fragte er leise, hoffend, dass ihn sonst niemand hörte. Er würde nur kurz schaun, was Finnegan mit Elijah gemacht hatte, dann würde er sofort wieder weg sein und niemandem Ärger einhandeln.

Erschrocken zuckte Elijah zusammen, als er erneut Schritte hörte und schließlich jemand die Klinke drückte. Sofort wischte er sich mit den Ärmeln über die Tränen nassen Augen und Wangen.
Als er dann Levis Stimme erkannte, obwohl sie durch die Tür etwas dumpf klang, tastete er sich langsam zur Tür vor. Einfach nicht daran denken, dass alles dunkel war.
"Levi?", fragte Elijah und versuchte seine Stimme nicht ganz so weinerlich klingen zu lassen, obwohl er immer wieder vom Schluchzen geschüttelt wurde.
"Du musst hier weg. Du bekommst noch Ärger... bitte... Direktor Finnegan hat mir verboten mit dir zu reden... sonst bestraft er dich. Bitte, geh zurück, bevor dich jemand findet."

Elijahs Stimme nach zu urteilen, hatte Finnegan keine Gnade walten lassen. Dabei hatte es niemand weniger verdient als Elijah, dachte Levi grimmig.
"Keine Sorge, ich bleib nicht lang," versprach er, schließlich hatte er sich fest vorgenommen, Elijah keinen weiteren Ärger einzuhandeln. "Was hat Finnegan gemacht?"
Zumindest das musste er wissen. Er würde das alles irgendwie in Ordnung bringen... ganz bestimmt.

"Er... er wollte, dass ich ihm berichte, wenn du etwas falsch machst... dass ich dich bespitzel... aber das wollt ich nicht... und jetzt ist er wütend und wir dürfen nicht mehr miteinander irgendetwas machen... bitte sei mir nicht böse, wenn ich dich draußen ignorieren muss... ich möchte nicht, dass du und irgendjemand wegen mir Ärger bekommt."
Elijah schlang seine Arme um seinen Oberkörper und rieb sich die Oberarme. Es war wirklich schrecklich kalt geworden.
"Er... holt mich bestimmt bald raus. Also mach dir keine Sorge."

Levi wollte im ersten Moment widersprechen. Schließlich konnte Finnegan ihnen ja nicht vorschreiben, mit wem sie befreundet sein konnten. Aber wenn Elijah das nur machte, um ihn zu schützen... das war sehr stark von ihm.
"Elijah..."
Er hatte ja recht, aber Levi hasste es, ihn einfach alleine hier sitzen zu lassen.
"Das ist echt tapfer von dir," bekundete er schließlich. "Dass du ihm gesagt hast, dass du nicht petzen wirst. Und dass du das hier im Karzer so durchstehst. Halt weiter durch, ja?"

Moore lehnte wie ein Schatten an der Wand und lauschte dem Gespräch. Seine Gesichtszüge waren weiß und steinern wie Marmor und seine Augen kalt.
In seinem Kopf bewegte er die Möglichkeiten, welche diese Konstellation in sich barg.
Elijah Lyall war das perfekte Druckmittel, um Sullivan im Zaum zu halten. Sullivans Ehrgefühl war der Schlüssel zum Erfolg: Zu seinem Gehorsam.
Ein leichtes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

"Mach ich.", sagte Elijah und unterdrückte weitere Tränen.
Levi sollte sich doch keine Sorgen machen. Nicht schon an seinem ersten Tag hier. Das Leben würde für ihn von nun an ohnehin schwer genug werden. Da brauchte er sich nicht auch noch um ihn sorgen.
"Wenn wir jemals hier raus kommen... dann... dann können wir vielleicht irgendwann zusammen Fußball spielen.", schlug er nun leise, aber hoffnungsvoll vor.
Manchmal sollten schließlich noch Wunder geschehen und... war Jesus nicht für die Sünden der Menschen gestorben? Vielleicht würden Gott und er verstehen, warum er stahl und log... vielleicht... aber nur vielleicht hatten sie ja doch alle noch eine Chance verdient.

Allein das Wort Fußball und die Aussicht, bald wieder spielen zu können, zauberten ein breites Grinsen auf Levis Gesicht.
"Darauf kannst du wetten!" antwortete er. "Morgen bekomm ich meinen Ball von Moore wieder und dann spielen wir. Finnegan muss das ja nicht mitkriegen. Wir machen das schon!"
Hoffentlich half es auch Elijah etwas, wenn er an etwas positives dachte.
"Bis morgen, Elijah. Halt die Ohren steif, ja?"

"Okay.", sagte Elijah, auch wenn er nicht daran glaubte, dass es eine gute Idee sein würde, auf dem Hof zu spielen. Aber nur für den Moment wollte er sich diesem Wunschdenken hingeben. Für einen Moment die Kälte und die Düsternis vergessen.
Und mit Levi Fußball zu spielen war eine schöne Vorstellung. Bei den anderen hatte er sich nur selten getraut zu fragen, ob er mitspielen durfte. Stattdessen hatte er sich lieber hinter den Büchern verschanzt.
"Bis morgen."
Elijah schloss die Augen, um die Dunkelheit auszusperren und machte sich so klein er konnte, um der Kälte weniger Angriff zu bieten. Irgendwann würde auch das hier vorbei sein.